Die SPD hat das richtige Wahlkampfthema „soziale Gerechtigkeit“ falsch und ungekonnt kommuniziert. Martin Schulz verliert deswegen die Bundestagswahl (#BTW) und Deutschland verpasst leider viele Zukunftschancen – verglichen mit den 5Nordics.
Es gibt im Herbst 2017 eine große Sorge unter Deutschen, die in der Frage zu Immigration, Flüchtlingen, Asylbewerbern und Integration zum Ausdruck kommt: die Forschungsgruppe Wahlen hat ermittelt,[1] dass 50 Prozent der Wähler dieses Thema als sehr wichtig betrachten, nur 20% haben bspw. Angst um ihre Rente (siehe Grafik).
Dabei ist der rote Faden zwischen Gerechtigkeit (Auskommen), Immigration und der (wirtschaftlichen) Zukunft Deutschlands offenkundig:
- einerseits sind große Teile der Bevölkerung mit ihrem Einkommen, mit ihrer Arbeit und ihrem Leben im Land grundsätzlich zufrieden, vermutlich eher CDU- und FDP-Wähler, die deshalb bei der Immigration wie bei Steuern, Arbeitsmarkt oder bei der momentanen Wirtschaftslage gewiss keine Experimente wünschen
- andererseits haben die vielen Verlierer, Hartz IV-Bezieher, atypisch Beschäftigte, Armutsrentner und alle mit einem niedrigen Einkommen, berechtigte Angst um ihre persönliche Zukunft in diesem Wirtschaftssystem. Diese Menschen empfinden Immigranten womöglich als eine viel größere (persönliche) Bedrohung (als „wichtiges Wahlthema“ eben). Werden sie deswegen SPD wählen oder doch lieber, sicherheitshalber oder eher verängstigt, die AfD?
SPD: Einwanderung ja, und danach?
Martin Schulz hat die Bedeutung der Frage nach Einwanderung und Integration beim Wähler sehr wohl erkannt,[2] sein Konzept der diffusen Einwanderungs-Politik „ein Deutschland, in dem Herkunft kein Schicksal mehr ist,“ also die zunehmende Einwanderung zwar bejahen, aber eher richtig gestalten? Was meint er damit jetzt eigentlich?
Im Focus analysiert Rupert Ahrens „Die drei strategischen Fehler der SPD-Wahlkampagne.“ Er schreibt: „Ängste der Menschen hätten für SPD Ausgangspunkt sein müssen. Aber der gute Status Quo ist fragil und das spüren die Menschen. Sie haben subtile Zukunftsängste. Sie ahnen, dass wir in einer Zeitenwende leben, die sie möglicherweise schnell überfordern könnte …“ (meine Hervorhebungen). Diese Zeitenwende heißt übrigens 5. Technologische Revolution.
Diese Überforderung spüren doch jene Deutschen doch seit Jahrzehnten: geringe Lohnerhöhungen; ausbeuterische Arbeitsverträge (atypisch); schlechtere, soziale Absicherung (Hartz IV & Renten); höhere Kosten für Wohnen, Essen und überhaupt alles, was das Leben in Deutschland lebenswert macht!
Kein Wunder, wenn sogar das deutsche Wirtschaftsministerium gegen diese konsequente Schlechterstellung kurz vor der Wahl warnt: „Im Jahr 2015 waren die realen Bruttolöhne der unteren 40 Prozent zum Teil deutlich niedriger als 1995.“[3]
Das ist genau jene „soziale Gerechtigkeit“ im Sinne der SPD. Warum schafft es Martin Schulz und die SPD diese Botschaft nicht zu vermitteln oder haben sie beim deutschen Wähler mit der Agenda 2010 und bislang im Wahlkampf ihre Glaubwürdigkeit verspielt?
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Der Schlüssel zum Wahlerfolg: faire Löhne & faire Einkommen
Wie ich in meinem Buch zur Bundestagswahl #BTW17: Skandinavia wæhlen ausführlich und statistisch darlege, dieser Lohnbetrug und damit Wählerbetrug, geht seit 1970 ununterbrochen!
Während (große) Unternehmen, mehr als Handwerksbetriebe und kleine Firmen, dank hohen Exporten, günstigen Steuersätzen und offenen Grenzen für billige Arbeitskraft aus ganz Süd-Europa ihre Gewinne, Aktienkurse und ihre globalen Marktanteile von Rekord zu Rekord reiten, zahlen abhängig Beschäftigte in Deutschland und ihre Familien einen immer höheren Preis für diese Privatisierung von Gewinnen: sie müssen auf eine sozial und finanzielle Besserstellung immer mehr verzichten, insbesondere im Vergleich zu jenen Reichen und überhaupt zum wirschaftlichen Potenzial im Land (Produktivität)!
Das ist genau was Geringverdiener und sonstige Arbeiter, Arbeitslose, ArmutsrentnerInnen und Menschen mit geringer Bildung fressen müssen. Und sie selbstverständlich wütend macht.
Die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf rekordniedriges Niveau von unter 4%? Zusammen mit dem Niedriglohnsektor, jene Menschen, die von ihrem Lohn immer schlechter leben können, beträgt dieser Anteil eher um die 25-30% (gemäß Eurostat)! Das ist die Wirklichkeit, die Martin Schulz und die SPD nicht zu vermitteln vermögen bzw. jene „Ängste der Menschen,“ die sie in ihrem Wahlkampf nicht deutlich genug anprechen bzw. anprangern!
In keiner Wirtschaft könnte man unter diesen Umständen dulden, dass Immigranten diese Spirale nach unten auch noch stärker befördern dürfen!
Entweder schafft man weit bessere, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse für alle, erst recht für jene bisherigen Verlierer wie auch für Immigranten, egal wie viele kommen, oder man muss die Grenzen dicht machen, diesen Kriegsflüchtlingen (Afghanistan, Syrien & Irak) sowie überwiegend Wirtschaftsflüchtlingen aus Afrika, viel eher in sicheren Regionen helfen, so gut es geht. Oder tatkräftiger, wenn der politische Wille da ist.
Die deutsche Zukunft heißt Skandinavisches Wirtschaftsmodell
Keine Wirtschaft in Europa hat zurzeit mehr Beschäftigung, mehr Exporte und politische Stabilität als Deutschland. Diese Wirtschaft ist seit 2002 jedoch ein Teil der Eurozone, insofern für Arbeit, Lohn, Steuern und Haushalte in jenen 19 Euro-Staaten insgesamt hauptsächlich mitverantwortlich!
Blicken wir nämlich Richtung Zukunft, das Jahr 2055, erleben wir ab jetzt dank der IKT-Revolution eine Wachstumsphase ohne gleichen, mit einer Verdoppelung des realen Wachstums weltweit (OECD): für die gleiche Arbeit, sind wir im Jahr 2055 also zwei Mal wohlhabender – prinzipiell. 🙂
Wenn Herstellungsprozesse danach automatisiert werden, IKT und Roboter Arbeitsroutinen und Serviceleistungen allenthalben übernehmen, braucht eine Volkswirtschaft jene seit 1970 politisch vorangetriebene Ungleichheit (Globalisierung), sondern eine „soziale Gerechtigkeit“ wie sie die SPD einfordert, viel eher wie in den #5Nordics!
Weil es demokratischer und sozial gerechter wäre. Aber noch viel mehr aus wirtschaftlichen Gründen: das Fundement für jedes Einkommen und Wohlstand auf lange Sicht, ist die Produktivität einer Volkswirtschaft, Investitionen in die soziale Entwicklung (Menschen) wie in reale Märkte – in die Nachfrage dieser Menschen nach Waren & Dienstleistungen!
Und damit langfristig ihren Wohlstand wie in ihre Wettbewerbsfähigkeit optimal (maximal) gestalten! Volkswirtschaftlich wohlgemerkt, nicht einzelne Unternehmen nur betrachten!)
Diese Botschaft hätten die Wæhler verstanden
Hätte Martin Schulz daher für ein solches, Skandinavisches Wirtschaftsmodell nicht nur konkludent wie mit „sozialer Gerechtigkeit“ geworben, sondern konkret:
- nominale Lohnerhöhungen entsprechend der Produktivität (BIP pro Arbeitsstunde) plus einen Skandinavien-Aufschlag für mehr Wirtschafts-Dynamik (das Geheimnis der 5Nordics)
- Steuern und Abgaben echt gerecht nach Einkommen (heute zahlen Unternehmen wie Top-Verdiener nur die Hälfte dessen, was fair wäre, sehen Sie mein Buch)
- jene Wachstumsphase und Zukunft im Sinne der deutschen und europäischen Wähler gestalten: ein faires Bankensystem für die richtigen Real-Investitionen statt in Finanzgeschäfte; ein neues, viel nachhaltigeres und faires Steuersystem (ich nenne es D-Steuer); imperative Investitionen in den sozialen Fortschritt wie gleichermaßen in die höhere Produktivität der Realwirtschaft; konsequent Löhne, Steuern & Haushalte in der Eurozone an der EZB-Zielmarke 2% Inflation ausrichten (Flassbeck) sowie das Ziel konsequent verfolgen, für gleiche Lebensverhältnisse aller Deutschen zu sorgen, auch was das lebenslange Einkommen, Wohneigentum und soziale Integration (Mobilität) betrifft!
Viel eher wie Norwegen, Dänemark, Schweden, Finnland und Island heute, jene Volkswirtschaften, die gemäß Eurostat ihre Gesellschaften erfolgreicher gestalten und laut dem Prosperity Index, Human Development Index, dem OECD Better Life Index, dem World Happiness Index, dem Fragile States Index usw. in der Regel besser abschneiden als Deutschland, Großbritannien, Frankreich, die USA oder andere „führende“ Wirtschafts-Standorte! Von wegen führend.
Fazit: hätte Martin Schulz eine echte, soziale Marktwirtschaft in diesem (skandinavischen) Sinne viel deutlicher kommunziert und im Wahlkampf verlangt, er und die SPD hätten meines Erachtens weit bessere Chancen gegen eine Angela Merkel und die CDU/CSU, die für die höchst unproduktive, unsoziale Marktwirtschaft seit 1970 hauptverantwortlich zeichnen und diese auch noch in Zukunft, mit noch mehr wirtschaftlicher Spaltung (Auseinanderdriften bei Einkommen & Vermögen, Eigentum & Absicherung), Gefährdung der Eurozone (deutscher Exportgeilheit) wie Neoliberalismus (Privatisierung der wirklichen Profite) stark vorantreiben wollen!
Gute Wahl – wæhlen Sie aber riktig!
[1] http://www.forschungsgruppe.de/Umfragen/Politbarometer/Langzeitentwicklung_-_Themen_im_Ueberblick/Politik_II/
[2] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-08/einwanderungspolitik-integration-martin-schulz-spd-migration
[3] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wachsende-ungleichheit-wirtschaftsministerium-warnt-vor-schrumpfenden-loehnen-15162416.html